
Wandern im Torres del Paine (ohne W-Trek)
Fast jeder Artikel zum berühmten Torres del Paine Nationalpark befasst sich mit dem sogenannten „W-Trek“. Das „W“ – eine Weitwanderroute, die in 4 bis 5 Tagen um das südliche Paine-Massiv herumführt – stand eigentlich auch auf unserer Agenda. Bei den Reisevorbereitungen stellen wir allerdings schnell fest, dass die einfachen Übernachtungsmöglichkeiten entlang der Route (sog. Refugios) fast komplett ausgebucht sind. Damit bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: im Zelt übernachten, was bedeutet hätte, die gesamte Zeltausrüstung auf dem Trek mitzunehmen. Oder den Torres del Paine eben ohne „W“-Trekking zu erkunden. Wir entscheiden uns für die zweite Variante. Und für einen Mietwagen, um zeitlich unabhängig und örtlich flexibel zu sein. Im Nachhinein eine gute Entscheidung: der Nationalpark ist sehr groß und hat auch ohne das „W“ unglaublich viele, wunderschöne Treks in großartiger Natur zu bieten. Öffentliche Shuttlebusse verkehren im Park nur sporadisch und man erreicht mit dem eigenen Auto auch die entlegeneren Ecken, die nicht direkt entlang der „W“-Route liegen.


Der ideale Ausgangspunkt für den Torres del Paine Nationalpark ist die Kleinstadt Puerto Natales. Puerto Natales ist von Punta Arenas aus in drei Stunden mit dem Bus (z. B. Bus Sur) zu erreichen. Hier kann man sich mit Lebensmitteln für Wanderungen eindecken, Outdoor-Kleidung kaufen und Campingausrüstung mieten. Auch die großen Autovermietungen sind dort vertreten. Wir haben unseren Mietwagen aufgrund der Hochsaison bereits von Deutschland aus reserviert und die Übernahme des Autos funktioniert problemlos. Allerdings erfahren wir, dass es weder im Park noch im Umkreis von 100 km um den Nationalpark herum eine Tankstelle gibt. Einzige Möglichkeit zum Auftanken ist also Puerto Natales. Da wir drei Tage im Nationalpark bleiben wollen und uns nicht sicher sind, ob eine Tankfüllung für die großen Entfernungen ausreicht, ohne zwischendurch die 120 km nach Puerto Natales zurückzumüssen, leihen wir in unserem B&B einen 20-Liter Benzinkanister und kaufen an der Tankstelle sogar noch einen Zweiten. Unter Sicherheitsaspekten natürlich nicht ganz unbedenklich und in Chile eigentlich nicht erlaubt. Allerdings scheint es geduldet zu werden, denn wir sehen später einige andere Autos, die ihre Kanister sogar offen auf dem Dach transportieren. Gleich vorweg: den zweiten Benzinkanister hätten wir eigentlich nicht gebraucht. Noch einen Kanister mit 20 Litern extra dabeizuhaben war aber doch von Vorteil.
Nach einer Übernachtung in Puerto Natales brechen wir gegen 8 Uhr in den lang ersehnten Torres del Paine auf. Eine gute Zeit, um noch vor den Bussen anzukommen, die täglich zwischen Puerto Natales und dem Nationalpark verkehren. Die Route 9 ist fast bis zum Parkeingang geteert und es gibt kaum Verkehr. Allerdings ist die Stimmung etwas getrübt: das Wetter verspricht nichts Gutes, dicke Wolken hängen am Himmel, man sieht kaum etwas von der Landschaft und es gibt den einen oder anderen Regenguss. Aber die Wettervorhersage verspricht zumindest für die nächsten Tage deutliche Besserung. Am Parkeingang Laguna Amarga kaufen wir für CLP 21.000 pro Person (ca. 29 EUR) unser Ticket, was auch für die nächsten beiden Tage gültig ist und erhalten Kartenmaterial. Wichtig: im Park gibt es keine Geldautomaten. Es empfiehlt sich daher, genug Bargeld aus Puerto Natales mitzubringen.
Im Park macht sich neben der Begeisterung für die Landschaft auch erst einmal ein bisschen Enttäuschung breit: das Paine-Massiv, die berühmten Torres, eigentlich die gesamte Landschaft sind hinter dicken Wolken versteckt. Aber das gehört eben auch zu Patagonien. Dafür sehen wir direkt beim Parkeingang Flamingos, Nandus und die ersten Guanacos.

1. Tag: Wanderung zum Mirador Cuernos
Strecke: vom Salto Grande zum Mirador Cuernos Länge: 8 km Hin- und Rückweg Dauer: ca. 2 Stunden Schwierigkeit: leichte Wanderung, aber stellenweise sehr windig
Wir entscheiden uns für den ersten Tag für eine einfache Wanderung zum Mirador Cuernos. Der Einstieg ist am Parkplatz des Salto Grande Wasserfalls. Schon nach wenigen Minuten erreichen wir den blau leuchtenden Wasserfall, der rauschend in die Tiefe fällt. Allerdings sind Wind und Regen so stark, dass wir zunächst wieder umdrehen und nachdem es ein wenig nachgelassen hat noch einmal starten.

Der Weg verläuft ziemlich flach und ohne große Steigungen weiter. Man kommt an einem schwarzen Strand vorbei und die meiste Zeit hat man einen schönen Blick auf die angrenzenden Seen. Immer wieder sehen wir Guanacos, die gemütlich in der Landschaft stehen und sich von Wind und Regen nicht im geringsten beeindrucken lassen. Der Wanderweg endet nach etwa einer Stunde am Mirador Cuernos mit einem doch sehr wolkenverhangenen Blick über den blauen Lago Nordenskjöld. Zurück geht es über die gleiche Strecke. Insgesamt ist für diese landschaftlich sehr schöne Tour keine besondere Kondition erforderlich.

Im Anschluss fahren wir noch ein wenig durch den Park, denn die Landschaft ist wirklich beeindruckend und auch vom Auto aus definitiv ein Erlebnis. Unterwegs sehen wir patagonische Füchse, Hasen und viele Guanaco-Gruppen. Wir übernachten in der Hosteria Mirador del Paine, einer Ranch mit vielen Tieren. Offenbar sind wir dort die einzigen Gäste, es gibt kein Internet und nur zu bestimmten Uhrzeiten Strom und warmes Wasser. Aber das ist in dieser Gegend genau das Richtige! Beim Abendessen können wir sogar ein Stinktier im Garten beobachten.
2. Tag: Die Türme des blauen Himmels – Mirador Base de las Torres
Strecke: Vom Refugio Las Torres zum Mirador Base de las Torres Länge: ca. 20 km Hin- und Rückweg Dauer: ca. 8 Stunden Schwierigkeit: anfangs leicht, die letzte Stunde sehr anspruchsvoll, steiler Geröllweg, dafür spektakulärer Blick auf die berühmten Torres
Tag 2 im Torres del Paine beginnt mit einer glühend roten aufgehenden Sonne. Wir starten daher noch vor dem Frühstück für die wohl bekannteste und vielleicht sogar schönste Wanderung im Nationalpark: hinauf zu den berühmten Torres del Paine, den „Türmen des blauen Himmels“, wie das Wahrzeichen von Patagonien in der Sprache der Tehuelche-Indianer heißt. Ich kann unser Glück kaum fassen: der Himmel ist beinahe wolkenlos und die Torres sind schon bei der Anfahrt von Weitem zu sehen.

Ausgangspunkt für die insgesamt 8-stündige, am Ende durchaus anspruchsvolle Wanderung ist das Refugio Las Torres, wo man sich mit Proviant und Wasser eindecken kann. Tipp: Es zahlt sich aus, so früh wie möglich zu starten. Ab dem späteren Vormittag wird der Wanderweg und der Aussichtspunkt an der Lagune vor den Torres sehr voll. Auf dem Rückweg kamen uns sehr viele andere Wanderer entgegen. Denn trotz des anstrengenden letzten Stücks, ist die Wanderung für viele der Klassiker im Torres del Paine.
Der Weg ist insgesamt recht gut beschildert. Vom Refugio Las Torres folgt man den Wanderzeichen Richtung Mirador Las Torres. Der erste Teil ist noch sehr leicht zu gehen. Es geht über eine kleine Brücke und durch eine Graslandschaft bis der Weg ganz gemächlich anzusteigen beginnt und immer wieder traumhafte Blicke auf den Lago Nordenskjöld und die weite Steppenlandschaft Chiles zulässt. Dann geht es durch das Ascendio-Tal mit spektakulären Ausblicken auf den Fluss und die umliegende Bergwelt. Der Weg wird bis zum Campamiento Chileno auch von Reitern genutzt und wir sehen einige Pferde, denen die Steigung offenbar nichts ausmacht.


Auf Höhe des Campamiento Chileno geht es über den Ascendio-Fluss. Das Campamiento ist ein Refugio mit kleinem Campingplatz. In der Hütte gibt es eine Auswahl an Getränken zu kaufen und der Platz bietet sich für eine Rast mit wunderschönem Ausblick an. Danach geht es durch einen Wald immer steiler hinauf bis die Baumgrenze erreicht ist. Nach dem Wald beginnt dann das schwierigste Stück: der Aufstieg zu den Torres! Der Weg ist jetzt kein gemütlich ansteigender Waldpfad mehr: über ein Geröllfeld mit riesigen Steinen geht es steil hinauf. Aber es lohnt sich auch, immer wieder innezuhalten und die spektakuläre Landschaft zu bewundern. Nach etwa einer Stunde über rutschige Geröllpfade ist man plötzlich ganz nah an den Türmen. Es geht noch einmal über Gesteinsbrocken und dann traut man seinen Augen kaum: man steht vor einer tiefblauen Gletscherlagune, hinter der die drei Türme aufragen: Torre Sur (2.850 m), Torre Central (2.800 m) und Torre Norte (2.600 m).


3. Tag: Aufstieg zum Mirador Condor und Lago Grey
Strecke: vom Campingplatz Pehoe zum Mirador Condor Länge: ca. 4,5 km Hin- und Rückweg Dauer: ca. 2 Stunden Schwierigkeit: mittelschwere Wanderung mit toller Aussicht
Am dritten Tag zeigt sich der Torres del Paine noch einmal in seiner ganzen Schönheit: mit strahlendem Sonnenschein und wunderbarer Fernsicht. Wir starten wieder sehr zeitig, frühstücken unterwegs an einem der Seen, auf dem Flamingos unterwegs sind und fahren dann zum Lago Pehoe. Von dort wollen wir zunächst auf einer recht kurzen Wanderung zum Mirador Condor aufsteigen. Der Einstieg am Campingplatz Pehoe ist etwas versteckt und wir müssen eine Weile suchen, bis wir den Weg gefunden haben. Danach ist die Strecke aber gut ausgeschildert. Der Weg geht recht steil nach oben und es dauert nicht lange, bis man ordentlich ins schwitzen kommt. Dafür dauert es nur eine Stunde, bis man den Gipfel erreicht und eine wirklich atemberaubende Aussicht genießen kann: vom Mirador Condor blickt man direkt auf die Cuernos, den Lago Pehoe und das Paine-Massiv. Die Natur sieht fast unberührt aus und es fällt schwer, sich von der Aussicht zu trennen, um auf dem gleichen Weg wieder zum Pehoe Campingplatz abzusteigen.


Danach wollen wir natürlich noch den Lago Grey mit dem Grey Gletscher sehen. Vom Lago Pehoe aus ist die Fahrt bis zur Hosteria Lago Grey nicht weit. Von dort starten wir einen Spaziergang zum Mirador Grey, der auf einer Steinbank am Ufer des Sees entlang führt, auf dem Eisberge umhertreiben. Von hier aus kann man auch ein Boot nehmen, um zum Grey Gletscher zu fahren. Wir verzichten auf die Bootsfahrt, da wir am nächsten Tag nach El Calafate weiterreisen und dort einen ganzen Tag auf dem größten Gletscher Patagoniens, dem Perito Moreno, verbringen wollen (meinen Bericht zum Icehiking auf dem Perito Moreno findest Du hier). Wir laufen stattdessen bis zum Mirador Grey, wo man von einer Aussichtsplattform aus einen guten Blick auf den Grey Gletscher hat.
Man kann im Torres del Paine sicherlich auch 2-3 Wochen mit tollen Wanderungen verbringen. Für uns geht es aber am Abend die 120 km zurück nach Puerto Natales, wo wir den Mietwagen abgeben und den Bus nach El Calafate in Argentinien nehmen.
Wie hat Dir der Torres del Paine Nationalpark gefallen? Hast Du weitere Tips für lohnenswerte Wanderungen?

