
Tiflis – Mix aus Asien und Europa, Aufbruch und Zerfall
Liegt Tiflis eigentlich noch in Europa? Oder schon in Asien? So ganz sicher bin ich mir nach unserem Besuch in der georgischen Hauptstadt irgendwie nicht.
Schaut man sich die Weltkarte an, gehört Tiflis recht eindeutig zu Vorderasien. Bücher oder Berichte beschreiben die Stadt aber oft als „Balkon Europas“. Woher diese Beschreibung kommt versteht man schnell, wenn man vom Aussichtspunkt an der Narikala-Festung oder von der Kartlis Deda – der riesigen Statue, die hoch über Tiflis thront – von oben auf die Stadt herunterschaut.

Unten, in einer der vielen Bars in den belebten Straßen, hat Tiflis tatsächlich ein europäisches, fast schon mediterranes Flair. Das Stadtbild wird von zum Teil stark verfallenen Jugendstilbauten dominiert. Dazwischen stehen orthodoxe Kirchen. Georgien ist schon seit dem Frühmittelalter ein christliches Land. Tiflis liegt aber auch an der Seidenstraße. Im Bäderviertel fühlt man sich mehr an 1001 Nacht, als an ein modernes Europa erinnert. Zugleich ist bei vielen Gebäuden in Tiflis auch die Sowjet-Zeit Georgiens nicht zu übersehen. Gleich daneben: moderne, fast schon futuristisch anmutende Bauwerke, wie die Friedensbrücke über der Kura oder das gläserne Innenministerium.



Tiflis ist ein Mix. Aus Europa und Asien, aus Alt und Neu, aus Christentum und Resten des Kommunismus, aus Aufbruch und Zerfall. Nichts scheint hier wirklich zusammenzupassen und doch fand ich selten eine Stadt in sich so harmonisch und stimmig. Am Ende unseres Roadtrips durch Georgien habe ich mich wirklich gefreut, noch einmal nach Tiflis zurückzukommen.
In diesem Beitrag nehme ich Euch mit auf einen kleinen Rundgang durch die georgische Hauptstadt.
1. Erste Eindrücke
Die Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt von Tiflis dauert etwa 20 Minuten. Als wir ankommen ist schon später Nachmittag, aber wir wollen natürlich unbedingt noch einen ersten Eindruck bekommen. Die Distanzen in Tiflis sind nicht besonders groß. Das meiste lässt sich problemlos zu Fuß gehen oder mit kurzer Taxifahrt erreichen. Es gibt auch eine Metro, die wir aber nicht ausprobiert haben. Unsere Unterkunft liegt links der Kura, etwa 10 Minuten zu Fuß bis zum Rike-Park. Die umliegenden Gassen – insbesondere auf der rechten Flussseite – sind sehr belebt. Das Leben in Tiflis spielt sich auf der Straße ab. Es gibt unzählige Restaurants, Cafés, Bars in denen man verweilen und natürlich sehr gut essen und trinken kann.
Als es dunkel wird, sehen wir schon von weitem die Sameba-Kathedrale über der Stadt leuchten, also nichts wie hin! Die Kathedrale ist das größte Kirchengebäude in Transkaukasien. Sie liegt auf einem Hügel nahe der Altstadt, von hier hat man einen schönen Blick über die abendlich leuchtende Stadt und bekommt einen tollen ersten Eindruck von Tiflis. Die Georgier sind sehr gläubig. Ihre Kirchengebäude stehen allen Besuchern offen. In vielen der Kirchen sollte man Knie und Schultern und ggf. Frauen auch die Haare bedecken. Hierfür steht in der Regel ein Korb mit Tüchern bereit, aus dem man sich bedienen kann.

Überall in der Stadt gibt es kleine Stände, die Tschurtschchela verkaufen, eine typische georgische Süßigkeit. Sie sehen wie Kerzen aus, sind aber Wallnüsse oder Haselnüsse, die mit einer Traubensaftkuvertüre überzogen sind und liebevoll „Georgische Snickers“ genannt werden.

2. Mit der Seilbahn über der Stadt dahinschweben
Am nächsten Morgen nehmen wir als erstes die Seilbahn vom Rike-Park zur anderen Flussseite. Die Aussicht ist toll und in knapp zwei Minuten schweben wir über die Stadt hoch zur Festung Narikala. Die Bergfahrt mit der Seilbahn kostet 2 GEL und wir kommen ohne Wartezeit direkt mit. Oben angekommen fühlt man sich tatsächlich wie auf dem „Balkon Europas“ angekommen. Die Aussicht ist wunderschön: die Stadt ist sehr grün und man erkennt all die Gegensätze, die Tiflis ausmachen: Kirchen, alte, verfallene Gebäude, moderne futuristische Architektur, Sowjetbauten. Zwischen all dem schlängelt sich der Fluss und am Horizont kann man schon die schneebedeckten Berge des Kaukasus erkennen. Hier oben steht auch Kartlis Deda, die „Mutter Georgiens“. Sie schaut auf die Stadt herunter, eine Schale Wein für die Freunde in der einen, ein Schwert gegen die Feinde in der anderen Hand. Nach einer Kletterpartie auf den Mauern der Narikala Festung nehmen wir den Fußweg hinunter ins Bäderviertel von Tiflis.



3. Abstieg ins Bäderviertel
Der Abstieg von der Festung Narikala ins Bäderviertel Abanotubani ist kurz aber steil. Unten angekommen, fühlt man sich sofort in eine ganz andere Welt versetzt. Es gibt hier noch einige Schwefelbäder im alten persischen Stil, die an den typischen Kuppeln zu erkennen sind. Die eigentlichen Bäder liegen unter der Erde, weil dort der Wasserdruck höher ist. Der georgische Name Tbilisi heißt soviel wie „warme Quelle“ und weist auf das schwefelhaltige heiße Wasser hin, das aus der Erde kommt und in den Bädern verwendet wird.

Das markanteste Gebäude ist das 1830 erbaute Orbeliani-Bad, dessen Fassade an 1001 Nacht erinnert. An den Bädern entlang führt ein Weg bis hin zu einem kleinen Wasserfall. Davor: eine Brücke mit tausenden „Liebesschlössern“. Dieser Ort ist wirklich romantisch!


Natürlich kann man auch eines der Bäder zur Entspannung besuchen. Wir haben das aufgrund der sehr heißen Temperaturen bei unserem Besuch aber ausgelassen.
4. Altstadt, Neustadt, quer durch die Gassen
Vom Bäderviertel laufen wir weiter durch die Altstadt. Die Altstadt von Tiflis, das sind vor allem alte Häuser mit hölzernen Balkonen, die gerade zu verfallen scheinen. Die Kulisse wirkt romantisch, fast schon märchenhaft. Viele kleine Café reihen sich aneinander. Ein besonders schönes Haus ist das schiefe Marionettentheater, in dem tatsächlich noch Aufführungen stattfinden.

Das alte Tiflis endet hinter der Stadtmauer nahe dem bekannten Freiheitsplatz. Hier sieht Tiflis aus, wie eine moderne Großstadt mit Prachtbauten, Geschäften, moderner Architektur, Öffnung nach Westen.
5. Essen und Trinken
Wie auch im restlichen Georgien, findet man in Tiflis überwiegend Restaurants mit lokaler Küche. Eine der wichtigsten Spezialitäten sind Chinkali, Teigtaschen, die mit Fleisch, Käse oder z. B. Pilzen gefüllt sind. Ausprobieren sollte man auch Chatschapuri, die extrem sättigenden Käsebrote, die oftmals mit einem Spiegelei in der Mitte serviert werden. Wein wird in ganz Georgien gerne getrunken und dementsprechend sind auch in Tiflis diverse kleine Läden zu finden, die georgischen Wein anbieten.


6. Fazit
Tiflis ist eine Stadt, die mir von Anfang an sehr gefallen hat. Sie als „schön“ zu bezeichnen, wird ihrem Charakter aber irgendwie nicht gerecht. Tiflis ist sehr viel mehr. Es sind die vielen Gegensätze, die hier niemanden zu stören scheinen und die die Stadt so besonders und so sympathisch machen.
Warst Du auch schon einmal in Tiflis oder planst Du einen Besuch?
